Selbstbau - Tonfeile Tafal
Fertigung
In der Beschreibung meiner bescheidenen bisherigen Projekte, habe ich bewusst immer das Wort "Aufbau" für dieses Kapitel verwendet. In Ermangelung ordentlichen Werkzeuges, und entsprechender Fähigkeiten dieses auch ordnungsgemäss anzuwenden, habe ich bei meinen Selbstbauprojekten bisher professionell vorgefertigte Komponenten montiert. Die Tafal wurde komplett selber gefertigt und die Modifikationen der Chassis erfordern etwas Geschick. Daher hier: "Fertigung".
Aber keine Angst: Auch eine Tafal-Gehäuse kann man sich schreinern lassen und wenn man nicht gerade zwei linke Hände hat, kann bei den Chassis-Modifikationen auch nicht so viel schief gehen. Folgend kurz die wichtigsten Schritte.
Hochtonmodifikation
Wie im vorangegangenen Kapitel bereits erwähnt, empfiehlt Tonfeile eine mechanische Hochtonmodifikation: Das Entfernen des Diffusors beim TAF 27. Dieser versteckt sich bei der Seas Kalotte als transparente Scheibe auf der Innenseites des Schutzgitters. Dies ist zwar optisch unauffällig, hat aber einen hörbaren Einfluss auf das Abstrahlverhalten des Hochtöners. Der ursprünglich einmal vorgesehene Saugkreis zur Linearisierung des Frequenzgangs kann ohne den Diffusor entfallen.
Bild: Das Schutzgitter lässt sich in mehreren Schritten aus seinem klebrigem Bett hebeln.
Warum sieht Seas überhaupt einen solchen Diffusor vor, wenn es ohne doch linearer spielen würde? Diese berechtigte Frage habe ich mir schon bei diversen Hochtönern mit Knubbel vor ihrer Kalotte gestellt. Klar ist, dass man mit einer akustisch harten Abdeckung die schallabstrahlende Fläche verändert. Ein möglicher erwünschter Effekt der Hersteller könnte sein, dass man gerade die geometrisch unweigerlich entstehende Schallbündelungen zu hohen Frequenzen hin reduzieren möchte. Gerade grosse Kalotte, wie die 27 mm messende TAF 27 bündeln vergleichsweise früh.
Ein weiteres denkbares Ziel ist die akustische Reduzierung von Membranresonanz im Superhochton. Bei Hartmembranen ist eine solche Resonanz, die durch Aufbrechen der Membran von kontrollierten Kolbenschwingungen in Partialschwingungen entstehet, nahezu unvermeidlich. Dies ist ein Tribut an das saubere Signalverhalten im Hubkolbenschwingbereich besonders steifer Membranen. Die TAF 27 hat solche eine Resonanz bei ca. 26 kHz. Diese Frequenz liegt zwar ausserhalb des menschlichen Hörvermögens, sieht aber messtechnisch unschön aus, und kann über Intermodulation durchaus die Wellenform von Schallanteilen im hörbaren Spektrum verändern. Insbesondere die gebündelt nach vorn strahlenden höheren Frequenzen werden durch einen mittig angeordneten Diffusor teilweise abgedeckt.
Was auch immer der Grund für den Diffusor sein mag, er führt auch zu einer Anhebung der Frequenzen zwischen ca. 9 und 12 kHz um ca. 1 bis 1,5 dB auf Achse, was als Brillianzüberhöhung zu hören ist. Deshalb hat Tonfeile in einer früheren Auslegung des Hochtonzweiges (s.a. Bild 1 unter Entwicklung) diese Anhebung über einen Saugkreis begradigt. Wenn der Diffusor entfernt ist, ist auch diese Überhöhung verschwunden, wodurch der Saugkreis überflüssig wird. Die Membranresonanz bei 26 kHz bleibt in beiden Fällen bestehen, wird auf Achse ohne Diffusor nur etwas breitbandiger abgestrahlt. Auf die hör- und messbaren Auswikungen wird in den entsprechenden Kapiteln noch eingegangen.
Wie entfernt man den ungeliebten Diffusor nun?
Das in einer zähelastischen Masse eingebettete Schutzgitter vorsichtig über den Umfang lösen und abnehmen, Diffusor vom Gitter abziehen und Gitter wieder eindrücken. Fertig.
Die Gewährleistung ist bei einem solchen Eingriff natürlich weg. Nachdem das Beschädigungsrisiko gering, und das Chassis mit knapp 40 EUR freundlich bepreist ist; kann man diese Operation ruhig wagen.
Passivmembran
Wie im ersten Kapitel schon beschrieben ist eine Passivmembran erst einmal auch nur eine - in ihrer Abstimmfrequenz spezifische - Ventilation eines Bassreflexlautsprecher. Diese sorgt gegenüber einem geschlossenen Gehäuse für einen Pegelanstieg bei ihrer Abstimmfrequenz. Kleinvolumige Passivlautsprecher haben ohne diese meist nur einen begrenzten Pegel bei tiefen Frequenzen und klingen daher "unten herum" etwas dünn. Die Abstimmfrequenz wird bei einer Passivmembran nicht über die Rohrlänge, wie bei einem klassischen Bassreflexrohr oder -kanal, sondern über die mechanischen Eigenschaften der passiv bewegten Membran eingestellt. Die Bewegung erfolgt duch die Ankoppelung der Passivmembran über die eingeschlossene Luftmasse im Gehäuse an die aktiv angetriebene Membran.
Diese Abstimmung ist zwar etwas aufwendiger als die einfache Einrichtung eines Bassreflexrohres; im Gegensatz zu diesem entstehen aber keine Strömungsgeräusche und es treten auch keine unerwünschten Schallanteile aus dem "Loch" des Gehäuses aus. Diese können die Abbildung von Grundton und Mitten beeinträchtigen.
Die höheren Kosten und der Aufwand gegenüber einem Rohr lohnen demnach akustisch. Zudem kann im Nachhinein, über eine Veränderung des Gewichtes der Passivmembran, die Tuningfrequenz eingestellt werden. Beim Bassreflexrohr ist diese fest über die Länge des Rohres vorgegeben.
Bild 1: Nachdem der Antrieb entfernt ist, wird die Schwingspule abgeschnitten. Ein Stück vom Schwingspulenträger bleibt stehen. Dieser dient später als Basis für das Gewicht.
Bild 2 und 3: Die Zentrierspinne wird in 16 Segmente unterteilt. Jedes zweite Segment wird entfernt.
Bild 4: Das verbleibende Stück des Schwingspulenträgers wird längs in mehrere Segmente eingeschnitten und dann zur Basis für das Gewicht gefalten.
Bild 5: Das Gewicht besteht aus einer M4 Maschinenschraube, Beilagscheiben, Sperrringen und einer selbstsichernden Mutter.
Bild 6: Fest zusammengeschraubt und mit Loctite gegen Klappergeräusche abgesichert sieht das Gewicht schliesslich so aus.
Bild 7: Nachdem die umgefalteten Schwinspulenträger-Reste fest miteinander verklebt sind, wird das Gewicht mittig zentriert mit Heisskleber aufgebracht.
Den Weg, den Tonfeile bei der Tafal beschritten hat ist etwas mühsam. Hierzu wird ein einfacher 17er Papiertieftöner - in diesem Fall ein Visaton WS 17 E - seines Antriebes beraubt und über Zusatzgewichte am Schwingspulenträger und eine Modifikation der Zentrierspinne auf die gewünschten Parameter getrimmt. Um an dieser Stelle niemanden den Nachbau der Tafal gleich wieder madig zu machen, sei erwähnt, dass man selbstverständlich auch eine fertige Passivmembran in passender Grösse kaufen kann. Diesen Chassis liegen meist auch mehrere Gewichte bei, über die die Abstimmfrequenz einstellbar ist. Einen Vorteil hat der WS 17 E allerdings: Er hat einen sehr schmalen Korbrand und ist somit ohne das Gehäuse der Tafal zu verbreitern gut auf deren Rückseite verbaubar. Trotzdem hat er gut 80 Prozent mehr Membnranfläche als der aktiv betriebene AL 130. Dieses Flächenverhältnis sollte man möglichst nicht unterschreiten, da ansonsten das Impulsverhalten leidet.
Wer sich an die oben bebilderte Aufbauanleitung hält, wird mit ordentlich Tiefbassausbeute bis zur Tuningfrequenz von ca. 47 Hz belohnt.
Das Gewicht besteht aus folgenden Teilen: Eine M4 Maschinenschraube mit 30 mm Länge, 2 passenden Sprengringe, eine selbstsichernde Mutter, zwei kleine Beilagscheiben mit einem Durchmesser von 20,5 mm und einer Stärke von 1,2 mm, sowie einer grossen Beilagscheibe mit einem Durchmesser von 23,8 mm und einer Stärke von 2 mm.
Finish
Prinzipiell kann man als Selberbauer natürlich seine Vorstellungen von Gehäusematerial, Design und Oberflächenqualität frei verwirklichen. Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, gelten allerdings die akustisch entscheidenden Einschränkungen bezüglich der Formgebung der Frontplatte und des Nettovolumens. Die Verwendung anderer Materialien ist aber möglich. Kunststein- oder Betonfrontplatten, Schieferkorpus, höherdämmende Sandwichwände etc. können eventuell noch das i-Tüpfelchen auf einer Tafal sein. Ich hoffe von entsprechenden Versuchen hören zu dürfen.
Bild: Das Bild sagt mehr als 1.000 Worte - 25 mm starke Multiplex-Frontplatte mir 25er Radien um den Hochtöner, Schattenfuge zum MDF-Korpus, der mit einem Graniteffektlack und anschliessend mit Klarlack besprüht ist.
Aber auch die hier gezeigte, vergleichsweise einfache Gehäuseversion ist alles andere als ein Konzeptmuster und bringt die akustischen Qualitäten schon voll zur Geltung. Das kompakte Gehäuse ist von Haus aus schon sehr steif; die Multiplexfrontplatte ist akustisch vorteilhaft; und die Schalldämmung von Front- und Rückseite wird ohnehin eher duch die Membranen der Tieftöner als das Gehäusematerial selber bestimmt. Mit einem lackierten oder funierten MDF-Multiplex-Gehäuse kann man also schon gut leben/hören.
Bild 1: Visaton AL 130 - einer der besten 13er Tiefmitteltöner am Markt.
Bild 2: Seas TAF 27 Plus - hochwertige und preiswerte 27er Alukalotte.
Bild 3: Visaton WS 17 E - klassischer, günstiger 17er Papier-Tiefmitteltöner. In der Tafal Opfer des Passivmembran-Umbaus.
Bild 4: Nochmal alle Chassis im Überblick.
Was man bei der Fertigung noch beachten sollte:
Der Korpus ist aus 25 mm starkem MDF.
Es ergibt sich ein Nettovolumen von ca. 9 Litern.
Die Aussenabmessungen betragen (Breite x Höhe x Tiefe) 18,5 x 33 x 29,5 cm.
Das Gehäuse wird innen mit Dämmwolle oder höher dämpfenden Spezialschäumen (bsw. Basotect) möglichst stark bedämpft. Der Raum zwischen AL 130 und der Passivmembran muss allerdings frei bleiben, da ansonsten die Ankoppelung der Passivmembran eingeschränkt wird.
Zur Befestigung der Chassis sind Maschinenschrauben in Einschlagmuttern den dauerhaft weniger festen Sitz gewährleistenden Holzschrauben vorzuziehen.
Die Frequenzweiche darf ruhig in einem eigenen Kompartment ausserhalb der Gehäusedruckkammer untergebracht sein - s.a. entsprechende Lösung im Sockel meiner VOX 200 MHT High End. Das erleichtert auch das nachträgiche Experimentieren mit anderen Bauteilequalitäten. Zudem kann man mehr Platz für grössere Bauteile wie verlustärmere Folienspulen oder Folienkondensatoren vorhalten, ohne das effektive Nettovolumen zu verändern.