Die Vorführung von Gruensch hatte gleich zwei Highlights für mich zu bieten. Erstens war es tatsächlich die erste Gelegenheit für mich einmal die sagenumwobene, am Markt aber sehr selten zu findende Elektronik, zu begutachten. Zweitens ist für mich die Entdeckung des, mir zuvor unbekannten Laufwerkherstellers, Tone Tool berichtenswert.
Bild 1: Die übermannshohen Live Act 512 Lautsprecher überlasteten glücklicherweise klanglich den Raum nicht so wie sie es optisch taten.
Bild 2: Viel leckeres Highend in einem Rack. Leider ist auch der Gegenwert eines Supersportwagens im Bild zu sehen.
Bild 3: v.o.n.u. Tone Tool RadiusXX Laufwerk, Gruensch Phonostage MCS II, Line Stage MSL, Netzteile der Reference Stages, Mimitism 20.1 CD Player. Zwei Stereoendstufen CSE II se stehen jeweils links und Recht auf ihrer eigenen Basis. Im Vordergrund ist ein Koax-Chassis des "kleineren" Live Act 312 Lautsprechers zu erkennen.
Gruensch
Was ist also so Besonderes an der Elektronik von Gruensch, dass ich mich nach Jahren langen Schmachtens so auf ein Treffen gefreut habe? Nun, kurz gesagt der Umstand, dass es sich hier um bestes deutsches Highend handelt, dass mehr ist als ein Juweliers-Gehäuse und ein grosser Markenname, der regelmässig durch alle Gazetten gejagt wird. Auch springt man hier nicht auf jeden Homecinema, Streaming, Car-Hifi- etc. Zug auf, um schnell neue Einnahmequellen für das eigene Label zu erschliessen. Bei Gruensch scheint man sich mehr auf die Ausentwicklung und Perfektionierung von hochwertigen Stereo-Hifi, genauer gesagt ausschliesslich von Verstärkern, zu konzentrieren. Und das als Familienbetrieb seit mehr als 25 Jahren.
Kenner der Materie erhalten bei Stichworten wie single-ended-Class-A, Zero-Feedback, vollsymmetrischer Doppelmonoaufbau, ausgelagerten constant-current Netzteilen ein erstes Gefühl dafür, dass es sich bei allen Geräten um sehr ernst gemeinte Topend-Produkte handelt. Weitere Details (und Messwerte!) zu den einzelnen Geräten unter Gruensch. Es muss nicht extra darauf hingewiesen werden, dass dererlei Geräte allesamt viele Tausend-Euro teuer sind und auch optisch den Anspruch durch ihre sehr massiven Aluminiumpanzer unterstreichen. Zumindest verkneift sich Gruensch optische Spielereien wie spezielle Oberflächenfräsungen, Verchromungen oder ähnliches Bling-Bling für die Übersee-Kundschaft. Im Weiteren sind die Modellzyklen der einzelnen Modelle sehr lang, was auch für eine sachgerechte technische Weiterentwicklung fernab der üblichen Marketing- und Pressearbeit spricht. Man merkt schon: Ich halte diesen Ansatz für deutsches Topend zumindest aus technischer Sicht für den Richtigen.
Bei dem CD-Spieler handelte es sich um ein in Deutschland eher unbekanntes Gerät aus Frankreich: Der Mimitism 20.1 - ein sauber aufgebautes aber schon angejahrtes CD-only-Gerät mit entsprechend nicht mehr aktueller Halbleitertechnik. Passte aber optisch schön zu den Gruensch Geräten...
Bild 1: Hier ist schön der resonanz-optimierte Aufbau aus unterschiedlichen Materialien erkennbar. Auch der Plattenteller ist zweigeteilt.
Bild 2: Den Tonarm Cantano steuerte die Berliner KlangwellenManufaktur bei. Die beiden Schaukelfüsse stützen den Einpunktler tatsächlich gegen Taumeln seitlich ab, haben also Linienkontakt zur Basis - es handelt sich also eher um einen Dreipunktler bzw. Einpunkt-Zwei-Linien-Lager-Tomarm. Diese Lösung erscheint auf den ersten Blick ein wenig krude. Angesichts der gehörten Performance funktioniert sie aber trotzdessen bzw. deswegen(?) sehr gut.
Tone Tool
Nun zum zweiten Highlight: Dem Tone Tool RadiusXXa. Auf den ersten Blick scheint es sich um eine optische Variante der zahlreich am Markt vertretenen Masselaufwerke zu handeln. Hängendes Lager, und viel zerspantes Alu oder Acryl, Motor mit Riemen daneben gestellt und fertig ist das nächste Designstück für den Hifi-Schrein. Mindestens an einer, allerdings sehr entscheidenden Stelle, geht Tone Tool über diesen Standard hinaus - bei der Resonanzoptimierung durch die richtige Materialkombination.
Leser meiner Seite wissen, dass ich lange mit der Performance eines marktgängigen Masselaufwerkes unzufrieden war und mich empirirsch über Jahre und diverse Maßnahmen auf ein akzeptables Maß hinaufgekämpft habe - s.a. TR - Upgrade Übersicht. Tone Tool tut das, was ich mir von mehr Plattenspielerherstellern wünschen würde: Es kommen unterschiedliche Materialien wie Granit, Schiefer, Acryl. Aluminium, Bronze oder Messing zum Einsatz und zwar nach technischen oder gehörmässig ermittelten Gesichtspunkten und nicht aussschliesslich nach optischen. Dass der RadiusXXa trotzdem ansehnlich geworden ist, ist die angenehme Seite dieses Unterfangens. Die Unangenehme ist der Preis von 30.000 EUR. Schluck.
mhw Audio
Bis zu meinen Höreindrücken muss ich den Spannungsbogen noch ein wenig halten. Aber die hauseigenen Lautsprecher Live Act 512 und 312 des Vertriebes mhw-audio verdienen auch eine Kurzbeschriebung: Beiden gemein ist ein grosses Koaxial-System aus einem 30cm(!) Tieftöner und einer 75mm Beryllium-Mittel-Hochton-Kalotte mit Hornvorsatz. Bei der 312 gibt es dann noch zwei PA-Subwoofer, bei der 512 derer vier. Pegelreserven und Grobdynamik sollte also kein Problem werden...
Gehört habe ich nur von der Platte - aber das richtig gut!
Schon die ersten Takten einer jazzigen Version von Sting´s Fields of Gold machte klar, dass es sich hier um eine veritable Highend Anlage handelte, die aus dem Gros der restlichen Vorführungen der Messe klar herausstach. Grobdynamisch liess die Kombo erwartungsgemäss ohnehin nichts anbrennen und sehr breitbandig klang es natürlich auch. Was bei gut gemachten grossen Lautsprechern dann aber doch immer wieder überrascht, ist wenn sie auch mikrodynamische Verästelungen, kleinste Klangfarbenunterschiede und Positionierungen im Raum sehr gut wiedergeben können. Und das konnte die Kette hervorragend. Sprich: Das Auflösungsvermögen war sehr hoch; und auch das Übergangsverhalten der Chassis und die Phasenlagen mussten in Ordnung gewesen sein, denn es klang auf nahezu allen Plätzen gut aufgeräumt und räumlich sauber gestaffelt. So bekommt man das leider viel zu selten serviert.
Hatten sich meine Vorfreuden also voll bestätigt und gilt es nur noch den Best-Sound-of-Show Award zu vergeben?
Leider nein, der geht an eine andere Vorführung. Eine tonale Färbung hält mich davon ab. Ich mag in diesem Aspekt besonders kritisch sein, aber die wahrgenommene Präsenzüberhöhung hat mir den Musikgenuss leider etwas verdorben. Schon die Gesangsstimme von Fields of Gold klang leicht näselnd, etwas unentspannt und drückend. Dieser Eindruck stellte sich nicht nur bei dieser mir unbekannten Aufnahme ein. Auch die folgenden Musikstücke wurden mit dieser überpräsenten Färbung von Stimmen und Instrumenten wiedergegeben.
Fazit: Klassische und modefreie Topend Kette mit vielen tollen Detaillösungen. Mit einer kleinen Anpassung der Frequenzweiche der Lautsprechern hätte sie das Potenzial aufs Siegertreppchen der hifideluxe und High End Vorführungen gehabt.