Eigentlich schien bei dieser Vorführkette vor dem ersten Takt gespielter Musik schon alles klar: Bei meiner branchenunüblichen eher kritischen Auseinandersetzung mit der Materie und meiner hohen Priorisierung einer tonal stimmigen und verzerrungsarmen Wiedergabe, hätte diese Kette ein gefundenes Fressen für harsche Kritik werden müssen: Im Detail krudes Plattenspielerkonzept, überteuerte japanische Röhrenelektronik und ungünstig mittig im Raum platzierte Lautsprecher direkt an den Seitenwänden - zum Scheitern verurteilt.
Aber: Diese Vorführung war in meinen Ohren der "Best Sound of Show".
Wie es dazu kommen konnte? Und warum man immer unvoreingenommen und offen bleiben sollte, folgt nun in meinem Messebericht:
Bild 1: Auch meinen Mithörern hat es so gut gefallen, dass sie nicht nur aufgrund des langen Messe-Samstages und der bequemen Sessel länger blieben.
Bild 2: Ein neuer Nottingham mit Spacearm? Nein, der Pear Audio Kid Punch mit Cornet 2 Tonarm.
Bild 3: Alle Komponenten v.l.o.n.r.u.: Pear Audio Kid Punch, Concert Fidelity ZL-200 Monoendstufe, Pear Audio Kid Thomas (grösseres Schwestermodell), Concert Fidelity CF-080LSX2 Vorverstärker, Concert Fidelity DAC-040BD, zweite ZL-200 Monoendstufe.
Pear Audio Analogue:
Fangen wir bei dem Quellgerät und der einzigen Bekannten für mich in der Kette an: Dem Plattenspieler Pear Audio Kid Punch. Kenner der Analogszene erkennen die Handschrift des Plattenspieler- und Tonarm-Bauers sofort. Das grosse Pully mit dem dicken Rundriemen, eine dicke Holzzarge und der Einpunkttonarm mit dem tiefhängenden Gewicht: Ganz klar eines der Konstruktionen des Briten Tom Fletcher, bekannt durch seine Marken Nottingham Analogue und später auch Fletcher Audio. Wieso also Pear Audio?
Der Geschichte nach übernahm der in Tschechien lebende und arbeitende Peter Mezek noch zu Lebzeiten von Tom Fletcher seine Design und Konzeptideen und führt diese nach dem Tod von Tom Fletcher in 2010 als eigene Produkte unter dem Label von Pear Audio Analogue fort. Eine ganz ähnliche Fortführung der Fletcher´schen Hinterlassenschaft proklamiert übrigens auch die Marke Analogue Works für sich; und auch die Marke Nottingham bietet nach wie vor noch Laufwerke aus Tom Fletchers Feder an. Wieviel Tom Fletcher bekommt man also beim Pear Audio Kid Punch und was ist am Fletcher Design überhaupt so besonders, dass posthum soviele daran verdienen möchten?
Zur letzten Frage zuerst: Wer auf der Suche nach der am glänzensten polierten Masselaufwerk-Öhlborinsel ist, schickes italienisches Design sucht, oder die feinste schweizerische Uhrmacher-Verarbeitungsqualität sucht, ist bei einem Fletcher-Plattenspieler definitiv falsch. Hier machen die Pear Audio Laufwerke offensichtlich auch keine Ausnahme. Tom Fletcher hat bei der Konzeption all seiner Komponenten immer nur die bestmögliche analoge Wiedergabe zum Ziel gehabt. So ging die hinsichlich ihres Ergebnisses beste Lösung immer vor Design oder auch Handhabbarkeit. Heraus kamen manchmal ein wenig schrullig-britisch anmutende Geräte und Detaillösungen:
Der Motor ist schwach und läuft langsam, benötigt so ein grosses Pully und muss von Hand auf Drehzahl gebracht werden. Besser als Wow- und Flutter-Verzerrungen in der Wiedergabe und preiswerter als Asynchronmotoren mit einer aufwendigen Motorsteuerung.
Die gewählten Materialien für Füsse, Zarge und Teller sollen nicht in ersten Linie gut zusammen aussehen, sondern resonanzarm Platten wiedergeben. POM-Füsse, Massivholz-Zarge und weiche Alu-Legierung mit dämpfender Auflage sind so auch nicht schicker als poliertes Aluminium, dafür aber deutlich resonanzunanfälliger.
Der vergleichsweise simple einpunktgelagerte Spacearm - Verzeihung bei Pear Audio heisst er Cornet 2 - mischt Messing, mit Kohlefaser und fühlt sich im Betrieb kippelig an; führt aber überzeugend und unkompliziert eine Vielzahl von Tonabnehmern.
Zusätzlich zu den genannten Fletcherschen Designmerkmalen hat Peter Mezek noch ein paar Ideen dem Konzept zugefügt, die Tom Fletcher wahrscheinlich auch gefallen hätten: Die Arretierungen am Tonarm erfolgen über eine nur leicht anzuziehende Nylon-anstatt Stahlschraube, die Zarge ist zweiteilig aus einem (nicht sehr schönen) Massivholz mit kleinen Entkoppelungselementen aufgebaut und der Plattenteller wird trotz des ohnehin schwachen Antriebs noch durch eine zusätzliche Bremse bzw. Dämpfungeinrichtung an einem allzuleichten Lauf gehindert. Da ist sie wieder: eine dieser kruden und auf den ersten Blick unverständlichen Lösungen. Bei genauerer Betrachtung dieser "Bremse" wird es dann noch skurriler. Kein feinmechanisches Meisterwerk erwartet den ergründenden Interessenten, sondern ein Stück Gummischlauch, der in der Zarge steckt und über eine leichte Berührung von unten den Teller beim Drehen bremst - s.a. Bild 2 unten.
So grobschlächtig die Umsetzung dieser Maßnahme auch ist, durch ein gezieltes Lastmoment auf den Antrieb kann sie selbstverständlich einen hörbaren Einfluss nehmen. Nicht ohne Grund verwendet bsw. auch Willibald Bauer in seinen dps Laufwerken eine ähnliche Dämpfung - allerdings fest installiert im Tellerlager. Eigner des Kid Punch sollten also ab und an den richtigen Sitz des "Bremsschlauches" prüfen, oder könnnen - falls der audiophile Spieltrieb geweckt ist - mit unterschiedlichen Anpressdrücken oder dem kompletten Entfall dieser Maßnahme experimentieren.
Bis auf letztgenannte Maßnahme, die mir ein wenig zu hemdsärmelig und nicht ausreichend und dauerhaft betriebssicher erscheint, ist der Pear Audio Kid Punch also ein würdiger Nachfolger der Fletcher´schen Plattenspieler. Einzig die Preisgestaltung ist leider nicht so bodenständig, wie die von Tom Fletchers Unternehmungen. Einen vergleichbaren Nottingham Spacedeck kann mann noch heute neu für 1.660 EUR beim Vertrieb envogue-24 erwerben - der Kid Punch soll 4.600 EUR kosten. Für einen 10-zölligen Spacearm legt man im Paket noch einmal 1.000 EUR drauf - für den Cornet 2 beträgt der Aufpreis nahezu 3.000 EUR. Tut mir leid: das gefällt mir weder aus Kundensicht, noch sind diese Aufpreise plausibel mit Nylon-Schrauben oder Massivholzzargen argumentierbar.
Bild 1: Das Dynavector Karat 17D3 passt bestens zum Konzept des Plattenspielers - krude Optik, aber Top-Performance. Eine Nadelreinigung stünde mal wieder an.
Bild 2: In diesem Bild ist die oben besprochene Gummischlauch-Teller-Bremse unterhalb des Plattentellers zu erkennen.
Bild 3: Klassiche Röhrenelektronik im Concert Fidelity DAC-040BD mit offenbar röhrengeregelter Spannungsversorgung und anständiger, wenngleich nicht preiswürdiger Bauteilequalität.
Concert Fidelity:
Die mir bis dato unbekannten Concert Fidelity Geräte kommen von einem kleinen Hersteller aus Japan. Auweia, das wird teuer! Und, ja so ist es. Auch wenn der Material-Gegenwärt eher spärlich ausfällt - s.a. Bild 3 oben, keine überkanditelten Bauteilequalitäten verbaut sind und die Gehäuse nicht in Schweizer Juweliersqualität aus dem Vollen gefräst werden, liegen die Preise auf einem Niveau als ob sie all dies wären. Weder die Vorstufe, noch die Mono-Pärchen sind für unter 20.000 USD zu haben. Der DAC-040BD D/A Converter (warum müssen japanische Geräte immer so sperrige Namen tragen?) ist mit ca. 10.000 USD das günstigste Gerät. Als Gegenwert erhält man sehr klassisch gemachte Geräte, mit wenigen Bauteilen im Signalweg und einfachen Schaltungsdesigns. Die Quellgeräte und die Hochpegelvorstufe nutzen Röhren zur Verstärkung und offenbach auch zur Regelung der Spannungsversorgung (s.a. Bild 3 oben rechts im Bild). In den Monoendstufen werkeln jeweils 4 Pärchen Mosfets zur Leistungsverstärkung. Die Phonovorstufe SPA-4C MC (nicht im Bild) nutzt für die Verstärkung eine ClassA Push-Pull Schaltung aus J-FET´s.
Angesichts des bereits angedeuteten sehr guten Klanges der gesamten Kette hat Grossmeister Masataka Tsuda mit seinen möglichst einfachen Schaltungsdesigns wohl Einiges richtig gemacht und sich, den von mir eher ungern gutierten, Röhrenschmelz(-klirr) verkniffen.
ESP Loudspeaker:
Auch wenn es nun zu unpopulär gewordenem "viel Text mit ohne Bilder" kommt, auch die Lautsprecher Contra Bass von ESP Loudspeakers verdienen angesichts der Performance eine kurze Beschreibung: Gar nicht so einfach, denn Rezensionen dieser Lautsprecher sind eher selten und die Informationen der firmeneigenen Webseite beschränken sich eher auf den Aussagegehalt "wir sind die Besten, bauen auch die besten Lautsprecher, und deswegen sind die von uns aufgerufenen Preise auch nur vermeintlich zu hoch."
Aufgrund der schräg stehenden Schallwand und den Massivholzrahmen, könnte man bei der pro Paar 25.000 USD teuren Contra Bass einen Flächenstrahler oder ein aktuell populäres Dipolkonzept vermuten. Tatsächlich handelt es sich hinsichtlich der Treiber um einen eher klassisch konzeptionierten Lautsprecher. Schwestermodelle wie die Concert Grand werden in ähnlicher Form auch schon seit ca. 10 Jahren gebaut. Zum Einsatz kommen 20cm Papiertieftöner, 15er Papier-Tiefmitteltöner und 25mm Gewebekalotten und wahrscheinlich flache Filter. So baut man schon seit Jahrzehnten Lautsprecher. Was also ist so besonders an den ESP?
Neben der ungewöhnlichen Gehäuseform, sind jeweils vier Tieftöner und vier Tiefmitteltöner nicht nur in Quasi-D´Appolito-Anordnung sondern auch jeweils als Zwei-Compound-Treiber zueinander angeordnet. Ich gehe davon aus, dass der Hersteller hiermit eine Isobaric-Anordnung der Chassis meint. Bei Tieftönern kennen wir diese noch von manchen Dynaudio oder Wilson Benesch Lautsprechern. Hierbei wird im Inneren des Gehäuses hinter einem kleinen Koppelvolumen dem äusseren Treiber der gleiche Treiber nochmal nachgeschaltet. Durch die parallele Bewegung "sieht" der äussere Treiber somit quasi ein unendlich grosses Gehäuse - bzw. den gleichen Druck (isobar) hinter wie vor dem Chassis. Die Kompression findet erst hinter dem zweiten inneren Treiber im Gehäuse statt. Bei Verdopplung der Kosten und der bewegten Masse kann so eine tiefe Abstimmung auch bei kleineren Gehäusen erzielt werden.
Warum ESP diese Anordnung trotz der eher grossen Gehäuseabmessungen wählt, dieses Prinzip auch für den Tiefmitteltöner anwendet und trotz des Risikos von Verzerrungen, aufgrund unterschiedlicher vorder- zu rückseitiger Abstrahlung der Chassis, ein besonders verzerrungsarmes und kohärentes Abstrahlverhalten proklammiert, bleibt mir schleierhaft.
Einfacher nachzuvollziehen ist, dass schon die jeweils zweite Gewebekalotte seitlich mit reduziertem Pegel abstrahlt. Einen solchen Ambient-Hochtöner sieht mach heute häufiger, dann meist auf den Rückseiten der Gehäuse. Durch die Erzeugung von Diffusschallanteilen soll eine großzügigere räumliche Illusion erzeugt werden. Dies geht zwar etwas zu Lasten der Ortungsschärfe im Brillianzbereich, kann aber die im Englischen "Airiness" genannte Luftigkeit in der räumlichen Abbilung erzeugen. Anscheinend war die Seitenwand-nahe Aufstellung nicht nur aus der Not geboren, sondern trug auch dem Abstrahlverhalten des Lautsprechers Rechnung.
Im Weiteren bringt die Contra Bass einen hohen Wirkungsgrad von ca. 90dB und eine unkritische Impedanz - trotz Compound-Treibern - von 6-8 Ohm mit. So hatten die Verstärker von Concert Fidelity leichtes Spiel grosse Klangbilder in das Hotelzimmer zu zaubern.
Höreindrücke:
Meist komme ich auf Messen kaum zum genussvollen Musikhören. Nach kurzer Prüfung der Pflicht-Qualitäten einer Hifianlage hinsichtlich ihrer linearen Verzerrungen (tonale Richtigkeit der Wiedergabe) und nichtlinearen Verzerrungen (zusätzliche Obertöne bzw. sog. Klirr) mit ein paar Takten bekannter Titel, kommt es meist nicht mehr zur Kür - also der genaueren Auslotung einzelner Qualitäten wie Auflösungsvermögen, Abstrahlverhalten, dynamischen Fähigkeiten etc.. Das liegt daran, dass die meisten Anlagen bei der Pflicht bereits durchfallen. Stiftung-Warentest müsste oft ein "mangelhaft" vergeben, wo die einschlägige Fachpresse Spitzenplätze nach Verkaufspreis und Werbeetat sortiert.
Aber ich konnte selbst bei kritischer klassischer Musik keine grösseren Fehler bzgl. der Pflicht-Qualitäten ausmachen. Sprich: Tonal ausgewogen und sauber spielend konnte ich mich an das Ausloten der "Kür-Quailtäten" machen. Und auch hier liess sich die Kette nicht ans Zeug flicken. Trotz vermeintlich alter Pappe und Seide waren die großzügig gezeichneten Klangbilder gut aufgelöst und mikro- wie makrodynamisch fein differenziert. Wahrscheinlich auch durch die Aufstellung und den Ambient-Hochtöner begünstigt, zog die Anlage ein räumlich breites wie auch sehr tiefes Panorama auf, in dem sich einzelne Instrumente jederzeit aber auch gut orten liessen. Zudem kam noch eine weitere Qualität zum Tragen, die ich zuvor eher höher auflösenden Topend-Ketten zugeschrieben habe: Alle Instrumente eines Orchestern erhielten nicht nur die richtige Position, sondern wurden auch mit dem richtigen Körper plastisch wiedergegeben. Und so konnten wir Samstagsabend die Messe nicht mit den obligatorisch fiesen Rausschmiesser-Titeln über die lauteste Kette, sondern bei Pear Audio und ESP Loudspeaker mit der natürlichsten Musikreproduktion ausklingen lassen.
Fazit: Alle Komponenten der Anlage erscheinen mir aufgrund Ihres baulichen Aufwandes zu teuer. Optisch spricht mich keine der Komponenten an. Aber da es auf meiner Seite ausschliesslich um hohe Klangqualität und somit um eine musikalische Wiedergabe geht, bleibt mir hier nur den Best-Sound-of-Show zu vergeben.