Neben der überraschend guten Kontra von Hifi-Selbstbau kam für mich das zweite ganz grosse Highlight der Messe von definiteAudio: Der Audioprozessor AudioVolver.
Das Gerät kennen Insider bereits von Audiodata. Es handelt sich hierbei um einen Audioprozessor mit PC-Architektur, der in Echtzeit am digitalen Audiosignal eine Frequenzgang- und Zeitkorrektur nach der FIR-Methode (Finite Impuls Response) vornimmt. Hierzu nutzt er die Software Acourate von Dr. Ulrich Brüggemann.
Bild 1: Ob man das Ergebnis der beeindruckenden Grafik aus der ausführlichen Präsentation auch hören konnte?
Bild 2: Aufbau der Vorführanlage - anstatt der Pure Dynamics Röhrenendstufe kamen allerdings zwei ClassD Monos von Flying Mole zum Einsatz.
Versierte DIY-Cracks können sich freuen. Ein aktueller Rechner, ein gutes Messmikrofon und eine Software-Lizenz von Acourate genügen demnach theoretisch um den Frequenzgang verbiegenden Einfluss des Hörraumes und die Zeitfehler eines Mehrwege-Lautsprechers wieder auszubügeln. So gesehen sind die 4.750 Euro, die Audiodata für den AudioVolver II aufrufen, ganz schön happig. Dass neben den aus dem professonellen PC-Bereich entliehenen Zutaten (lüfterloser Rechner, audiophil überarbeitete hochwertige Soundkarte), noch highfidele Ingredentien (per Relais geschaltete Eingänge, eine digitale Lautstärkeregelung, ein hochwertiges, für den Rechnerteil und den D/A-Wandler separat ausgeführtes Netzteil) und eine vollwertige Netzwerkplayer-Option zum Einsatz kommen, relativiert den aufgerufenen Kurs wieder ein wenig.
Prinzipiell sollte man nicht ungerecht sein. So gebührt Audiodata doch die Anerkennung, die bisher nur in innovativen DIY-Kreisen bekannte Technologie, als universelles und audiophiles Fertigprodukt marktfähig gemacht zu haben. Man sollte zudem nicht vergessen, dass eine ganze Menge Grundlagen-Forschung und -Entwicklung im Gerät und der Software stecken, die selbstverständlich bezahlt werden wollen. Die verkaufte Hardware macht nur einen kleinen Teil des kompletten Leistungsangebotes aus.Der geneigte Selbermacher sollte auch wirklich wissen was er da tut. Ansonsten kann das Unterfangen schnell auch zu einer Verschlimmbesserung führen. Nicht umsonst bieten sowohl Audiodata als auch definiteAudio Ihre Geräte nur mit einem Vor-Ort-Einmess-Service an.
Bild 1: AudioVolver II von Audiodata (links) und der neue AudioVolver von definiteAudio (rechts).
Bild 2: Die Hardware eines AudioVolver II.
Bild 3: Neuer AudioVolver - noch ohne genaue Gerätebezeichnung.
Für alle Skeptiker gibt es die Möglichkeiten des "zu Hause Ausprobierens" und nicht zuletzt den neuen günstigeren AudioVolver, sowie eine nochmals günstigere Bausatz-Version. Der neue "kleinere" Audiovolver von definiteAudio kommt in einem Standard-PC-Gehäuse mit eigener geschliffenen und lasergravierten 4mm Alu-Frontplatte. Zusätzlich zur PC-Hardware ist im Gerät ein Controller (für LEDs und Fernbedienung) sowie eine Zusatzplatine mit mehreren Cinch-Digitaleingängen eingebaut. Der Preis für den Bausatz dieses Gerätes wird bei knapp über 2.000 Euro liegen.
Bevor ich nun auch das allgemeine Loblied der geradezu wundersamen Wirkung singe, vorab die notwendigen Informationen zur Vorführung selber:
Die Abhöranlage (Bild 2 ganz oben, und Bild 1 unten) war spezieller Natur. Fast schien es, als ob bewusst sehr moderne und eher einfache Gerätschaften zur Vorführungen herangezogen wurden. Konnte man so die Segnungen der Korrektur-Rechnungen besonders eindrucksvoll demonstrieren? Als Zuspieler diente ein Notebook und ein Mediaserver, die über einen iPod-Touch "fernbedient" wurden. Einem AudioVolver II wurden die Digitaldaten über einen WLAN-Router zur Weiterverarbeitung zugespielt. Wegen der aktiven Auftrennung in Subwoofer- und Satellitenkanal, übernahm die D/A-Wandlung im Satelittenkanal ein externer Profi-DA-Wandler, der Apogee Rosetta 200. Die Lautstärkeregelung übernahm ein SPL SMC Surround Monitor Controller SMC 2489. Die Lautsprecher DaCapo wurden von den jweils 100 Watt starken ClassD Monoendstufen Flying Mole DAD M100pro angetrieben. Die eigentlich für diese Aufgabe vorgesehene 2x 20 Watt starke Röhrenendstufe Pure Dynamics Symmetrix kam aufgrund eines defekten Adapters nicht zum Einsatz. Die beiden Dipolsubwoofer DiSub 12-2 benötigten allerdings grössere Kaliber; die sie mit der PA-Endstufe Powersoft Digam D3002 auch erhielten. Deren maximal 2x 1.500 Watt an 2 Ohm waren auch für die leistungshungrigen Dipolsubwoofer mehr als ausreichend.
Bild 1: Vorführanlage mit AudioVolver 1 und II, Pure Dynamics Symmetrix, Apogee Rosetta 200, SPL 2489 Controller und mit den ClassD-Endstufen von Flying Mole und Powersoft (v.l.o.n.r.u.).
Bild 2: ClassD-Monoendstufen Flying Mole DAD M100pro und Powersoft Digam D3002.
Bild 3: Dipol-Lautsprecher nach HobbyHifi Bauvorschlägen.
Ob die Wahl der Vorführlautsprecher als geschickt angesehen werden kann, darüber lässt sich streiten. Tonal sind die Dipol-Lautprecher natürlich alles andere als perfekt und taugen durch ihre rückwärtigen Schallanteile idealerweise für ordentliche Rauminteraktionen. Aber auf der anderen Seite gibt es insbesondere bei der offenen Schallwand "DaCapo" aus der HobbyHiFi 3/2006 hinsichtlich des Zeitverhaltens nicht mehr allzu viel zu korrigieren. Die setzt nämlich auf den Breitbänder Ciare CH250 - alle Frequenzen kommen also von einem Treiber. Ob man deshalb bei definiteAudio den Bauvorschlag dahingehend abgewandelt hat und den Ciare im Hochton über eine Passivweiche noch um ein preiswertes P.Audio Hochtonhorn PHT-407 ergänzt hat? Oder weil der Ciare Breitbänder bereits ab 5 kHz aufbricht, 20 kHz erst gar nicht erreicht; und daher dankbar über die Ablösung durch einen geeigneteren Treiber für hohe Töne ist? Wie auch immer, im Zusammenspiel mit den beiden Dipolsubwoofern DiSub 12-2 aus HobbyHiFi 4/2007 gab es einiges Korrektur-zu-rechnen.
Noch ein Wort zu den Dipolsubwoofern: Diese lassen sich auch mit hochwertigeren Chassis als den 50-Euro-Dreizigern Mivoc AW3000 aufbauen. Ein ähnliches Konzept (ebenfalls nach HobbyHifi) hat in meinem Hörraum schon eine überzeugende Vorstellung gegeben - der DiSub 310. Wie alle Dipolsubwoofer, die gemäss dem akustischen Kurzschluss eigentlich gar nicht (gut) funktionieren dürften, sind diese sehr aufstellungskritisch. Der hörbare Tiefton entsteht letztendlich erst durch die Interaktion mit dem Raum. Also: Ideal zum Korrektur-Rechnen. Somit also Vorhang-auf für den AudioVolver.
Bild 1: Ciare CH250 und P.Audio PHT-407 in offener Schallwand.
Bild 2: Von hinten lässt sich schön die gehäuselose Bauweise der Lautsprecher erkennen.
Bild 3: Dipol-Subwoofers Disub 12-2 aus HobbyHiFi 4/2007 mit je zwei sehr preiswerten Mivoc AW3000 Chassis.
Den Anfang der Vorführung machte Yim Hok-Man mit seinen chinesischen Trommeln. Explosive Dynamik und perfektes Timimg lassen die Trommeln erst lebensecht wirken. Keine leichte Aufgabe für Verstärker und Mehrwegelautsprecher. Dank der Korrekturrechnung von Lautsprechern und des Raumeinflusses geling die Illusion leibhaftig vor einem spielender Trommeln aber nahezu perfekt. Die zwar nicht highendigen, aber zumindest sehr empfindlichen Chassis der DaCapo sorgten zudem für gute Mikrodynamik und Feinauflösung. Der sehr positive Ersteindruck bestätigte sich im Weiteren mit einem Bluestitel und zwei leichteren Jazzstücken mit Sängerin und Klavier.
Tonal perfekt - alles andere wäre ja auch einer Fehljustage gleich gekommen - und mit ebenso perfektem Timing konnte sich das Klangbild vollständig von den Lautsprechern lösen. Hierdurch entstand; wundersamerweise nicht nur auf meinem Sitzplatz; ein sehr plastisches und lebensechtes Klangbild. Ich war selber überrascht, angesichts des eher einfachen Equipments, wirklich überhaupt nichts mehr an der Wiedergabe kritisieren zu können.
Bei den weiteren Hörbeispielen waren auch einige mir gut bekannte Titel dabei, die allesamt bei der Umschaltung von "unkorrigiert" zu "korrigiert" die nahezu unglaubliche Wirkung des AudioVolvers demonstrierten. Dire Straits "You and Your Friend" wurde auch "unkorrigiert" ansprechend wiedergegeben. Sehr breitbandig, mit trockenem Bass und einem insgesamt sehr luftigen Klangbild - die beiden HobbyHifi Bauvorschläge waren also trotz ihrer einfachen Chassis auch so von sehr ansprechender Qualität. Aber bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, was meine heimische Anlage noch so alles besser kann, schaltete Herr Oehlrich auch schon wieder die Korrektur dazu. Ok, ich wiederhole mich jetzt: Alles spielte auf Knopfdruck nun aus einem Guss. Insbesondere das Timing geriet nun perfekt und das Klangbild löste sich vollends von den Lautsprechern - mit geschlossenen Augen kann sicher die Instrumente und Stimmen gemäss der Abstimmung des Toningenieurs zuordnen. Aber wo standen nochmal die Lautsprecher? Keine Ahnung, da muss man die Augen schon wieder öffnen. Beeindruckend!
Ich wage jetzt mal die - so von mir noch nicht verwendete - Aussage, dass Dire Straits, Yuri Honings Interpretation von Police´s "Walking On The Moon" und Hugh Masekelas "Stimela" sogar authentischer als bei mir daheim klangen. Das ist mir bei einer Messevorführung so noch nicht passiert. Ok, je nach Grösse des Lautsprechers und Kilowatt-Leistung von Endstufen, ist unten herum schon mal mehr Druck und Tiefgang als bei mir daheim. Aber mit dem AudioVolver gelang ein ganz anderes Kunststück: Das Timing und die Einheitlichkeit eines Breitbänders gepaart mit der Breitbandigkeit und Pegelfestigkeit eines grossen aktiven Studiolautsprechers. Einfach unglaublich. Das atmosphärisch intensive Stimela hielt mich noch Stunden nach der Vorführung gefangen. War ich da nicht eben auf einem kleinen Live-Konzert von Hugh Masekela in Johannesburg?
Man kann zu der Korrektur-Rechnung von unperfektem Hifi-Komponenten und der Kompensation akustischer Unzulänglichkeiten eines Hörraums stehen wie man will; das akustische Ergebnis der Korrektur mit der Acourate Software spricht für sich. Das Ergebnis ist High-Fidelity im besten Wortsinn.
Ich persönlich würde nur zugerne erleben, wie von Haus aus hochwertiges Hifi und ein akustisch bereits optimierter Raum, durch Acourate weiter verbessert werden können. Denn die Messevorführung von definite Audio, so gut sie auch war, war letztlich nur eine beindruckende Demonstration der Wirkung der AudioVolver Geräte. Den Schluss; dass es in Zukunft gleichgültig ist, welche Hifi-Geräte man verwendet, wie schlecht ein Lautsprecher abgestimmt ist und wie hallig und untauglich ein Hörraum auch ist - einfach einen Acourate-Rechner vorschnallen, korrigieren und schon ertönt bestes Hifi; würde ich so nicht ziehen.
Bestimmter Grenzen der Technik sollte man sich bewusst sein:
Das Ergebnis ist insbesondere bezüglich der Frequenzgangkorrektur stark ortsabhängig. Gerade zu höheren Frequenzen hin können nur wenige Zentimeter starke Einbrüche oder Überhöhungen verursachen. Das Ergebnis kann für bestimmte Positionen sogar schlechter sein, als das unkorrigierte Signal. Aber wir Highender sitzen schliesslich daheim alle im Sweet-Spot!
Dynamische Fehler wie Verzerrungen und Klirr durch Verstärker und Lautsprecher können nur begrenzt bzw. nicht korrigiert werden.
Das Equalizing kann nichts bzw. nur sehr wenig gegen Raumeffekte, wie erste Reflexionen, Tonhöhenschwankungen, Flutterechos und die Nachhallzeit des Raumes tun. DefiniteAudio zeigte zwar ein Diagramm, wonach auch die Nachhallzeit durch den AudioVolver verkürzt wird. Hier wirkt dann das kompensierende Signal auf die besonders unangenehm nachhallenden Frequenzen ein; eine Veränderung dieser Raumkonstante ist aber nur durch klassische akustische Massnahmen, wie bsw. Akustikschaum, zu erzielen. Hierdruch wird der Raum auch ohne Hifi, etwa bei Konversation, komfortabler.
Physikalische Frequenzgang-Limitierungen wie bsw. tieftonschwache kleine Heimkino-Brüllwürfel als Quasi-Subwoofer oder Breitbänder ohne echten Hochton sind auch mit einer Signalkorrektur nur bedingt beizukommen. Hierbei stösst man schnell an die technisch-physikalischen Grenzen der Komponenten.
Es gibt also auch für die Zeit nach Acourate weiterhin noch viele gute Gründe für gutes Hifi, eine saubere Installation und wirkungsvolle Raumakustik-Massnahmen. Acourate und AudioVolver werden aber zukünftig sicher dafür sorgen, dem Traum von perfektem Hifi ein ganzes Stück näher zu kommen. Für Mehrwege-Lautsprecher und schwierige Abhörbedingungen ist die Technik auf jedenfall ein ganz heisser Tipp.